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KAPITEL

1. Prozesse des Vergessens und Erinnerns am Beispiel der "Hasenjagd" Ein Vergleich zwischen Film und Literatur
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2. Elisabeth Reichart: Februarschatten. Roman
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3. Prozesse des Vergessens und Erinnerns am Beispiel des Films "Hasenjagd" (1994) von Andreas Gruber. Ein Vergleich zwischen Film und Literatur
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4. Anhang
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Herbert Staud:
Formen der Erinnerung - Gedächtnisarbeit


"Den Umstand, dass keine unserer Vorstellungen an das Leid der Opfer des Mordprozesses heranreicht, ficht zudem nicht an, dass uns dennoch Bilder davon beherrschen, sie in uns vorherrschen, jenseits alles Erfahrbaren und Geschehenen. Diese Bilder: Sie werden aufgerufen als Zeugen gegen politische Entwicklungen, werden angerufen als Schutzpatrone der Weltanschauung, werden abgerufen aus unserem Inneren. Diese Bilder: Sie geistern durch die Medien der Öffentlichkeit. Wir sehen die wankenden Muselmänner, jene bis auf das Skelett abgemagerten, apathisch hoffnungslosen KZ-Opfer, in einer Belangsendung für die Errichtung von Gedenkstätten, in einem Werbetrailer für Hitlerjunge Salomon, in einem kurzen Clip für die Oscarvergabe an Schindlers Liste. Sie werden zu Zitaten, zu Ikonen und Götzen unseres Jahrhunderts. Sie sprechen in uns nicht bloß alles Erinnerte an, das uns über die Vernichtungslager bekannt ist, vielmehr rühren sie an unsere Phantasien, unsere Ängste, aber auch geheimen Wünsche." (Mitteilungen 4/1995)

"Die zentrale Frage, die sich angesichts der filmischen Darstellung der Nazimorde im Massenkino stellt, muss vorerst nach einer anderen Bilanz als jener des Profits forschen, nämlich nach jener, ob die Vorführung auf Kosten der Opfer geht oder - dringlicher formuliert - ob nicht jegliche Vorführung von "historisierten" Leichenbergen als cineastisches Arrangement auf Kosten der Opfer gehen muss." (Mitteilungen 4/1995)

"Denken Sie an die Einstellung in "Kapo", in der Riva Selbstmord begeht, indem er sich in den elektrisch geladenen Stacheldraht wirft: Der Mann, der in diesem Moment entscheidet, ein Travelling nach vorne zu machen, um die Leiche in Untersicht zu filmen, darauf achtend, die erhobene Hand genau in der oberen Ecke seiner Schlusseinstellung zu platzieren, dieser Mann verdient nichts anderes als tiefste Verachtung." (Rivette 1961)

"Das Entsetzen über den organisierten Massenmord war in den Nachkriegsjahren noch frisch und unschuldig. Darum war es damals richtig und notwendig, die Photographien und Filmberichte aus den Lagern in Zeitungen und Wochenschauen zu veröffentlichen. Diese Photos veränderten Leben, wie Susan Sontag berichtet. Sie meinte, diese Photos würden niemals ihre Frische verlieren und sie irrte. Die Dummheit und Abgestumpftheit tausender Bildredakteure, Fernsehjournalisten und Filmemacher hat diese Dokumente zerschnipselt, vergrößert, verkleinert, nachgestellt. Das Entsetzen über die Bilder selbst ist vom Entsetzen über ihren Gebrauch überlagert." (Beckermann 1995, 8)

"Die Frage, ob man die Massenvernichtung darstellen DÜRFE, scheint mir [...] nicht relevant zu sein. Die Frage ist, ob man das KANN. Ob und WIE sich das Ereignis darstellen lässt." (Beckermann 1995, 9)

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