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KAPITEL

1. Lebensphasen
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2. Kramers 'klassische Periode', 1927 bis 1939 - Besonderheiten seines Exilschicksals
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3. Gescheiterte Rückkehr
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4. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Theodor Kramer (1897-1958)


In den Augen der Nationalsozialisten noch belastender als diese frühen und unverblümten Distanzierungen müssen Theodor Kramers Kontakte zum Wiener Vizebürgermeister Ernst Karl Winter und dessen Kreis angesehen werden. In Winters Gsur-Verlag erschien 1936 Theodor Kramers umfangreichster Gedichtband "Mit der Ziehharmonika". Die Autoren dieses Verlages konnten besonderer Aufmerksamkeit durch die Gestapo sicher sein - 1935 hatte der "Ständestaat" dem Verlag die weitere Verbreitung von Hermynia Zur Mühlens Roman "Unsere Töchter, die Nazinen" untersagt. Vorangegangen war eine Intervention des deutschen Gesandten in Wien, Franz von Papen. Der Verleger, E. K. Winter, war einer der prominentesten und bekanntesten Gegner des Nationalsozialismus in Österreich. Die Veröffentlichung eines Gedichtbandes Theodor Kramers in seinem Verlag steht politisch im Zusammenhang mit Winters Bemühungen, die durch den Bürgerkrieg vom Februar 1934 Entzweiten zu versöhnen, um eine gemeinsame Abwehrfront gegen den drohenden Nationalsozialismus zu bilden. Ohne Zweifel war sich Theodor Kramer der politischen Stellung und Intention Winters vollkommen bewusst. Krames Gedicht "Nach neunzehn Jahren" (entstanden 1937) belegt es. (vgl. Exkurs: Gespräch mit Kurt Blaukopf)

Zur Mühlen, Hermynia zeigen

"Wie durch ein Wunder", schreibt Kurt Blaukopf über Theodor Kramer am 30. November 1938 aus Suresnes (Seine) an die "American Guild for German Cultural Freedom", ist er bis jetzt der Verhaftung entgangen", jedoch:

"Nach den jüngsten Ereignissen wird seine Lage in Wien unhaltbar. Seine jüdischen Freunde sind teils verarmt, teils ausgewandert, von allen anderen Leuten ist er unter den gegenwärtigen Bedingungen fast abgeschnitten. Seine Gesundheit ist durch zwei Übersiedlungen und üble Behandlung in einer SA-Kaserne stark mitgenommen. [...] Schweizer Freunde haben sich nun entschlossen, ihn in den nächsten Tagen in die Schweiz zu bringen. Es hängt nur noch von seinem Gesundheitszustand ab, ob er den vorbereiteten Weg wirklich beschreiten kann." (zit. nach Berthold, Eckert, Wende 1993, 341)

Blaukopf bittet, Theodor Kramer im Schweizer Exil zu unterstützen, aber die Flucht in die Schweiz kommt nicht zustande. Am 4. Oktober 1938 hatte der Schweizer Bundesrat der Vereinbarung mit Deutschland über die Einführung des "Juden-Stempels" zugestimmt und eine Visumspflicht für jüdische deutsche Staatsangehörige erlassen. Es ist möglich, dass Blaukopf bei der Abfassung seines Briefes diese neu eingetretenen Umstände noch nicht bekannt gewesen sind. Theodor Kramer gab aber noch nicht auf. Am 7. Jänner 1939 ersuchte er das Polizeidepartement in St. Gallen um einen "Grenzübertrittsschein"; er wolle am 16.1. um 10.45 Uhr in Buchs (der schweizerischen Grenzstation) ankommen. Das Ersuchen wurde abgewiesen mit der handschriftlichen Bemerkung: "Die Grenze ist seit Samstag für Emigranten jeder Art vollständig gesperrt." (vgl. Chvojka 1984, 57-80)

Über die Schweiz können Sie sich auch in unserem Vorlesungsüberblick "Exilland Schweiz" informieren.

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