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KAPITEL

1. Lebensphasen
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2. Kramers 'klassische Periode', 1927 bis 1939 - Besonderheiten seines Exilschicksals
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3. Gescheiterte Rückkehr
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4. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Theodor Kramer (1897-1958)


Kaufmann, wie der Briefwechsel Theodor Kramers mit Gretl Oplatek erhellt, war ein gemeinsamer Bekannter Kramers und Zadeks aus dem Internment Camp. - Das Jugendkomitee organisierte Bildungsveranstaltungen und Theateraufführungen, so eine von Louis Fürnbergs "Böhmischer Passion" im September 1940, ein Stück über den "Verrat" von München. Von deutschen Luftangriffen blieb das Lager verschont, jedoch:

"Wenige Kilometer von unserem Lager weg brannte, splitterte es, schlugen die Flammen lichterloh in den schwarzen Nachthimmel. Von der Dachluke unseres Hauses bot sich ein Bild des Grauens. Gezielt zwar auf den Hafen, zerfetzten die Bomben ganze Wohnviertel."

Wenige Wochen später, für Gerhard Zadek war es der 9. Oktober 1940, wurden die meisten Lagerinsassen über die Irische See auf die Isle of Man überführt. Man darf annehmen, dass auch Theodor Kramer im Oktober auf die Isle of Man kam und wie die anderen Internierten wusste, was am 2. Juli 1940 mit dem ohne jeden militärischen Geleitschutz von Liverpool nach Kanada in See gestochenen Passagierschiff "Arandora Star" geschehen war. Aufgrund dieser Vorgeschichte war die Unruhe über die Verlegung auf die Isle of Man im Lager Huyton beträchtlich. <Alice und Gerhard Zadek: Mit dem letzten Zug nach England. Opposition. Exil. Heimkehr. Berlin 1992, S.194ff.> Sie spiegelt sich in den Lagergedichten Theodor Kramers wider. Im Jänner 1941 wurde er aus der Internierung entlassen. Inzwischen scheint ein Koffer Theodor Kramers mit Materialien beim Bombardement Londons durch die deutsche Luftwaffe verloren gegangen zu sein. (vgl. Brief an Michael Guttenbrunner, Guildford, 24.6. 1954) Fritz L. Brasloff berichtet:

"Das nächste Treffen mit Kramer und die erste Begegnung mit Inge Kramer fand 1941 in Birmingham statt. Ich arbeitete dort als Büroangestellter. Gemeinsam mit einigen anderen Mitgliedern der Austrian Labour Club-Gruppe fungierte ich als 'Stützpunkt Birmingham' des 'London Bureau of Austrian Socialists in Great Britain' und des Club. [...] Zahlenmäßig waren wir eine kleine, bewußt exklusive Gruppe, bestehend aus Menschen, die entweder in der Sozialdemokratischen Partei oder bei den Revolutionären Sozialisten oder in der Gewerkschaftsbewegung aktiv gewesen waren. [...] Etwa zehn oder zwölf in Birmingham und Umgebung lebende, zum Austrian Labour Club gehörende Emigranten kamen aber doch einige Jahre mehr oder weniger regelmäßig gesellschaftlich zu Sonntagsjausen bei mir zusammen. [...] Wir sprachen über aktuelle Themen und auch über Zukunftsprojekte, meine erste Frau 'lieferte' großzügig immer neue Ladungen belegter Brote zum Kaffee. Das Ehepaar Kramer gehörte zu dem Kreis. Es lebte damals in der nahegelegenen Industriestadt Wollverhampton. Kramer hatte keine Arbeit und wurde daher - was nicht ungewöhnlich war - von seiner Frau erhalten. Sie hatte verhältnismäßig schnell Kontakt zu Engländern gefunden, sie gehörte der Wolverhamptoner Sektion der 'International Friendship League' an. An den politischen Unterhaltungen beteiligte sich Kramer kaum; er konzentrierte sich auf die Brote mit sichtlichem, ja kindlichem Vergnügen." (Brassloff 1985, 5)

Es fällt auf, dass Brassloff, der sich Theodor Kramer gegenüber immer sehr freundschaftlich und hilfreich verhalten hat, sich in der Berichterstattung über Kramer zu einer gewissen Herablassung verpflichtet fühlt. Im Hintergrund steht vielleicht die sozialdemokratische Sprachregelung, Kramer habe sich dem mit den Sozialdemokraten im Clinch liegenden Austrian Centre zugewandt um einer Nestwärme willen, die die Sozialdemokraten nicht bieten konnten, und weil man sich dort auch für seine Gedichte interessierte, also mehr aus einer persönlichen Schwäche heraus als aus politischen Gründen. Diese Sprachregelung erklärt bis zum heutigen Tag das, was das Problem der führenden Sozialdemokraten war (nämlich ihre persönliche Kälte und ihr literarisches Desinteresse) zu einem Problem Kramers.

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