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KAPITEL

1. Jura Soyfer: Das Dachaulied
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2. Theodor Kramer: Der Ofen von Lublin (22.8. 1944)
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3. Fred Wander: Der Siebente Brunnen. Erzählung
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4. Fred Wander: Gesichter (Kap. XI). In: Der siebente Brunnen. Erzählung (1972)
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5. Anhang
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Herbert Staud:
Holocaust und Literatur

Fred Wander: Der Siebente Brunnen. Erzählung


"Der siebente Brunnen - Wasser der Lauterkeit,
von allen Verunreinigungen befreit;
gegen Verschmutzung und Trübung gefeit;
von makelloser Durchsichtigkeit;
für künftige Geschlechter bereit,
auf dass sie entsteigen der Dunkelheit,
die Augen klar, die Herzen befreit."

Wanders gleichnamiges Kapitel handelt von der Lust, ja dem Zwang der Ostjuden, zu erzählen. Mit dem Gedicht, aus dem er seiner "Erzählung" oben angeführten Ausschnitt als Motto voranstellt, übernimmt er das Deutungsmuster für seine Erlebnisse im Konzentrationslager: Rabbi Löw habe "das Wasser der Lauterkeit" des "siebenten Brunnens" als Symbol für Reinwaschung und Läuterung gedient. Mendel Teichmann, ein Leidensgefährte, vermittelte Wander dieses Motiv als Erklärung für die Lagerhaft. (vgl. Reiter 1995, 73)

Aufgabe:
Die Literaturwissenschaftlerin Andrea Reiter stellt Meir Bernsteins Erzählung in eine wichtige jüdische Erzähltradition.

"Die Erzählform Wanders wurzelt in der Tradition des Chassidismus, einer volkstümlichen Bewegung im Judentum des 18. Jahrhunderts, die sich gegen das rabbinische Judentum und dessen Beschränkung des Zugangs zu Gott auf die Gelehrten und deren Auslegung der Schrift richtete. Der Chassidismus wurde von Israel ben Elieser (1700-1760), genannt Baal Shem tow, was soviel wie 'Vertrauensmann' des Volkes bedeutet, begründet (vgl. BUBER 1984, 31). Die neue Lehre, die ihre Anhänger ermutigte, sich am Alltag und an der Welt, wie sie ist, zu erfreuen, beseitigte damit die Trennung zwischen dem Heiligen und dem Profanen (vgl. BUBER 1984, 18f.). Es ist das tätige Leben, mit und in dem der Chassid mit seinem Gott kommuniziert, und nicht mehr der Talmud.
[...] Mit seinen 'Erzählungen der Chassidim' verdeutlicht Martin Buber die dreifache Funktion der chassidischen Erzählform: In Legendenform dokumentiert sie das mythische Leben der Zaddikim, der 'Heiligen', und vermittelt damit sowohlhistorisches als auch religiöses Wissen. In Worten erhält sie auch die Ratschläge des Zaddik. Schließlich berichtet die chassidische Erzählung über Verfolgung und Unterdrückung des jüdischen Volkes in der Ukraine im 18. und 19. Jahrhundert und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur jüdischen Historiographie." (Reiter 1995, 74 f.)

Buber, Martin zeigen

"Wie in den chassidischen Erzählungen geht es Wander nicht um die Vermittlung faktischer Wahrheiten, sondern um die Authentizität des Erzählens als Akt des Überlebens." (Reiter 1995, 82)


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