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KAPITEL

1. Lebensphasen
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2. Kramers 'klassische Periode', 1927 bis 1939 - Besonderheiten seines Exilschicksals
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3. Gescheiterte Rückkehr
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4. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Theodor Kramer (1897-1958)


Nach dem Aufenthalt in London im Herbst 1941 musste Kramer im Dezember nach Wolverhampton zu seiner Frau zurückkehren. Vergeblich hatte er in London Arbeit gesucht. In der Folge war er monatelange krank, schrieb erfolglos Stellengesuche und sann darüber nach, wie er nach London zurückkehren könnte. In Vorbereitung war der Gedichtband "Verbannt aus Österreich", der schließlich im Juli 1943 erscheinen sollte. Ein Brief von Willy (Wilhelm) Scholz, Sekretär des Austrian Centre, gibt Aufschluss über die näheren Umstände:

Kramer, Theodor: Verbannt aus Österreich. London: Austrian P.E.N. 1943 zeigen

"Robert Neumann teilte mir gestern mit, daß der P.E.N. nichts gegen die Herausgabe einzuwenden hat. Er möchte dies nur unter dem Titel tun 'Schriftenreihe des Austrian P.E.N. Clubs' No. 2. No. 1 wird das Protokoll der Kulturkonferenz sein. Mit John Heartfield habe ich gesprochen. [...] Er ist einverstanden, diese Sache zu machen. Ich habe außerdem mit Robert Neumann die Frage der Auslieferungsstelle besprochen. Er erklärte mir, der P.E.N. Club könne sich selbst nicht damit belasten und hat das Austrian Centre vorgeschlagen. [...]" (Wilhelm Scholz, Brief an Th. Kramer, London, 2.10. 1942)

Die Initiative ging also offensichtlich vom Austrian Centre aus. Nicht zustande gekommen ist die in dem Brief erwogene Gestaltung des Umschlags durch John Heartfield. Im Oktober 1942 zog Kramer von Wolverhampton nach London und trennte sich endgültig von Inge Halberstam. Am 30. Oktober nahm er an der Generalversammlung des Austrian P.E.N. teil und wurde in den Vorstand gewählt. Durch Vermittlung von Eleanor Farjeon und des Verlegers Geoffrey Faber erhielt er den Bibliothekarsposten am Technical College in Guildford (Surrey) (vgl. Sulbacher, "Theodor Kramer: Lebenslauf". Unveröffentlichtes TS, 2 S, E. Chvojka, Brief an K. Kaiser, Wien, 11.3. 1995), den er im Jänner 1943 antrat und bis zu seiner Rückführung nach Wien im September 1957 behielt. Die Guildford-Möglichkeit muss sich erst in der Zeit des Londoner Aufenthaltes ergeben haben. In Guildford schloss Kramer Freundschaft mit anderen dort angesiedelten Exilierten, unter ihnen den Graphiker und Zeichner Helmut Krommer und dessen Tochter Anna, die an der Kunstgewerbeschule des Technical College in Guildford studierte. Dem vor allem im International Youth Club organisierten Emigrantenleben Guildfords stand er skeptisch gegenüber. Er fand Kontakt zur örtlichen englischen Poetry Society - die Schilderung, die Anna Krommer von einer Lesung Kramers in Anwesenheit von literaturinteressierten Damen der Poetry Society gibt, dürfte allerdings eine Spur überzeichnet sein:

"Theodor Kramer räusperte sich und begann laut aus seinen Werken vorzulesen. Sein ernster prüfender Blick streifte uns dabei über der Hornbrille. Fräulein Woolwich erbebte, vergeblich bemüht, ihre Erregung zu unterdrücken. Es kam da Lyrik zur Geltung im strengen Versmaß, in harmonischen Reimen, die in ihrer Schlichtheit viel Sexuelles umfaßten, das die alten Fräuleins erröten ließ und ihnen einen Schamschweiß auf die Stirn trieb. Besonders Fräulein Smithys Busen hob und senkte sich in atemloser Empörung, auch Fräulein Woolwich litt unter den derben Worten moralischer Unzulänglichkeit. Die Damen saßen in Verlegenheit versteinert. Doch der Blick über der Hornbrille ignorierte die bigotte Entrüstung der reinen Seelen zuhörender englischer Jungfrauen mittleren Alters. (Krommer 1990, 57 ff.)

Kramer, Theodor in Guildford/GB zeigen
Krommer, Anna zeigen
Kramer, Theodor : Handschrift zeigen
Kaiser, Konstantin: Theodor Kramer - Exil in Großbritannien zeigen
Kramer, Theodor / Kalbeck, Florian / Viertel, Berthold: Gedichte zeigen

Kramer unterhielt weiter vielfache Kontakte zur "Emigrantenszene" in London, wurde zu Lesungen eingeladen, las für das Austrian Service der BBC, besuchte Vorträge und Kulturveranstaltungen im Austrian Centre. Durch die Auseinandersetzung mit den erst seit Juli 1944 (Befreiung des Konzentrationslagers Majdanek bei Lublin durch die Rote Armee) in vollem Ausmaß bekannt gewordenen Verbrechen der Nationalsozialisten entstehen Gedichte wie "Der Ofen von Lublin" (22. August 1944) und in weiterer Folge Zyklen wie "In der Dobrudscha" (teilweise aufgenommen in die Sammlung "Die grünen Kader".

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