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KAPITEL

1. Fred Wander: Kurzbiographie
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2. "Der siebente Brunnen"
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3. "Ein Zimmer in Paris"
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4. Hôtel Baalbek
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5. "Das gute Leben - Erinnerungen"
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6. Anhang
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Wilhelm Kuehs:
Fred Wander (1917)


In einem alten Hotel in Paris treffen sich vier Freunde. Dreißig Jahre sind vergangen, seit sie einander zum erstenmal sahen. Sie waren Emigranten, auf der Flucht vor den Nationalsozialisten. Die Zimmer, die Boulevards, die Straßencafés, die Parks wecken gemeinsame Erinnerungen und Erfahrungen. Die Gedanken des Erzählers gleiten zurück durch die Jahrzehnte, bleiben an Episoden haften und kehren immer wieder in die Gegenwart zurück. Einer der Freunde, Grünberg, verliert während dieser Reise durch die Zeit und die Erinnerungs-Bilder seinen Halt: Er flüchtet in Medikamente und verschwindet spurlos.

In die Handlung, die etwa Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts spielt, schieben sich immer wieder Episoden aus der Zeit des Krieges, des Exils und der Flucht. Sie überschatten die Heiterkeit und die Lust, mit der sich die Freunde anlässlich ihres Wiedersehens in das Pariser Leben stürzen. Es scheint, als versuchten sie, die verlorene Zeit einzufangen, wieder gutzumachen und die schrecklichen Erfahrungen von Exil und Konzentrationslager aufzuheben. Dabei geraten sie immer wieder aus der Spur eines konventionellen Wiedersehens, versinken mit einer unbürgerlichen Exzentrik in ihren Streifzügen. Exil ist mittlerweile zum Alltag geworden, zum Antrieb dieser unaufhörlichen Flucht, in die einige Geheimnisse eingewoben sind, die sich erst am Ende (tragisch) entschleiern.

"Bap hatte uns schon am Morgen gesagt, daß er sich entschieden habe, Europa zu verlassen. Vorher jedoch wolle er seine Tochter besuchen. Eine Tochter? Es war nicht zu fassen, davon hatten wir in all den Jahren nicht einmal eine Andeutung gehört." (Wander 1995, 143)

Das Leben der Boheme, der lässige Müßiggang in den Cafés, die erotischen Abenteuer sind die Fassade, hinter der sich die Angst der Verfolgten, der Lagerinsassen verbirgt. Jeder Ort ist unsicher, denn seit Buchenwald verfolgt den Erzähler ein Alptraum.

"Der nie endende Alptraum meines Lebens (ich muß das einmal sagen) wiederholt sich meist kurz vor dem Erwachen: Ich sitze im Bett, kalter Schweiß auf der Stirn, stiere mit glasigen Augen um mich, sehe das Zimmer, die schäbigen Möbel, das Fenster, den grauen Himmel draußen, weiß aber nicht, wo ich bin. Angst würgt mich, ist das noch Buchenwald? Haben sie uns dabehalten, so viele Jahre nach dem Krieg; oder ist das ein Polizeiarrest in Marseille, ein Hotelzimmer in Paris, irgendeine schäbige Dachkammer in Amsterdam oder Wien?" (Wander 1995, 77)

Neuzugänge bei der Klagemauer. Nach wochenlanger Fahrt in offenen Eisenbahnwaggons. Sommer 1944, SS Foto zeigen

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