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Gabriele Frankl:
Raoul Hausmann (1886-1971)
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Satire
Die große Zeit der Hausmannschen Satiren war 1919/20, als "der deutsche Spiesser" sich gewaltig ärgerte. In den Travestien spiegelt sich Hausmanns Politisierung in einer radikalen und schonungslosen Form, wie sie den erschütternden Erlebnissen im Ersten Weltkrieg angemessen war. Ohne auf den ihm eigenen Sarkasmus und Zynismus zu verzichten, bildeten Regierungssystem und Machthaber neben der Gesellschaft und dem in ihr eingebetteten deutschen Bürger die Hauptangriffsbereiche der polemischen Kritik.
"In all diesen Schreckensereignissen fand ich mich, der eher eine liberale Erziehung erhalten hatte, nicht nur von Mitleid, sondern stärker noch von Protest erfasst. Die Massenmorde (und Krieg ist Massenmord) waren mir unerträglich. Ich hatte um 1910 Bakunin und Stirner gelesen; kapitalistische Bestrebungen lagen mir sehr fern. Ich hatte eine tiefe, unüberwindliche Abneigung gegen jeden Besitz und mehr noch gegen Aggressionsgelüste und kriegerische Eroberungen." (Hausmann 1970, In: Riha 1992, 48)
Doch genau diese hatten Konjunktur bei den 'Mächtigen', vor denen jedermann Respekt hatte, ausgenommen Hausmann:
"Da saß unser großer, siegreicher Feldherr, [= Paul Hindenburg] [...]- und sprach wie'n Mensch und aß wie'n Mensch, und gar Torte mit Bier und Schlagsahne und hatte 'ne Frau und 'n Vollbart!!" (Hausmann: '! Hurra! Hurra!', In: Riha 1992, 20. "Warum Hindenburg 'nen Vollbart trägt")
Hausmann, Raoul: Der Eiserne Hindenburg zeigen
Die Reduktion auf das ?rein Menschliche' relativierte das Heldenhafte, um damit nur noch provokanter die Ausbeutung der Beherrschten zum Vorteil und Ruhm der Herrscher zu demonstrieren. In Prothesenwirtschaft> einem Text über die verkrüppelten Kriegsheimkehrer, gelang dies brillant:
S. 36/38
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