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Gabriele Frankl:
Raoul Hausmann (1886-1971)
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Der größte Tänzer aller Zeiten
Vgl. zu diesem Kapitel: Züchner/Bartsch/Koch 1996, 81, aus einem Interview mit Vera Broido-Cohn, In: "Der deutsche Spiesser", S. 110.
Die atypische Beweglichkeit des Hausmannschen Geistes suchte auch ein Äquivalent in der körperlichen Bewegung - und fand den Tanz - mit seinen Ausdrucksmöglichkeiten ideal geeignet als Medium für Hausmanns Vorstellung von Natürlichkeit, Ursprünglichkeit und Raum-Zeit-Gefühl. Wie bei Plakat- oder Lautgedichten konnte eine neuartige Komposition der raum-zeitlichen Elemente jedoch nur beginnen, nachdem diese von ihrer gewohnten, und meist naturwidrigen, Bedeutung befreit waren. Vom Tänzer verlangte dies eine außerordentliche Sensibilität, musste er doch ein Wesen sein,
"das sich ganz als Zentrum und Peripherie des durch die Bühne gegebenen Raumes fühlt. Dieser Raum als Abstraktum, als kubische Kunstform, bedingt ein Bewusstwerden des Tänzers als Raumträger und Raumbewegter, der auch das Nichtsichtbare, die Logik der scheinbaren Leere, zu gestalten hat. Der Tänzer ist raumbewegend in dem Sinne, dass er alle Spannungsrelationen des Raumes in sich erlebt und ihnen eine offenbare Form durch seinen Körper verleiht. [...] Der sogenannte Hintergrund ist nunmehr lebendige Relation zum Mittelraum, in dem der Tänzer diese Relation auffängt und in eine Bewegungssynthese seiner Körperglieder verwandelt, die aller nur menschlichen Mechanik entwöhnt sein müssen. Auf diese Weise wird die Tanzimprovisation unmöglich und der Tanz, die absolute Raumgebundenheit, ausgedrückt durch den menschlichen geistigen Bewegungswillen." (Hausmann 1922, In: Erlhoff 1982, Texte 2, 58. "Die Absichten des Theaters 'PRÉ'")
Hausmann, Raoul als Tänzer zeigen
Eine solche Intimität des Tanzens förderte das Elementare der Persönlichkeit zutage, wie auch Vera Broido-Cohn, eine der Lebensgefährtinnen des Dadasophen, später schilderte:
"Am klarsten arbeitete er beim Tanzen. Er sagte, beim Tanzen müsse man vor allen Dingen den äußeren, konventionellen Raum um sich herum zerstören und einen eigenen, individuellen Raum aufbauen und hierbei dem Diktat der Gesetze des Körpers folgen. Und gerade hier, in seinem eigenen Raum, wurden seine Bewegungen wirklich seine eigenen - weder nachahmend noch stereotyp noch konventionell." (Broido 1993, In: Berlin. Galerie / Züchner, 1994, 104)
S. 34/38
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