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KAPITEL

1. Politisches Kabarett
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2. Blaue Blusen/Rote Spieler
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3. Jüdisch-Politisches Cabaret
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4. Der liebe Augustin
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5. Die Stachelbeere
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6. Die Seeschlange
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7. Literatur am Naschmarkt
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8. ABC
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9. Anhang
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Herbert Staud:
Die Wiener Kleinkunst der Zwischenkriegszeit im Widerstand gegen den Faschismus


NESTROY: Ah, der Herr von Lessingdenkmal! Ich mach' mein Kompliment. LESSING: Ich erwidere es von Herzen. [...] Eben fällt mir etwas bei, was ich bei dieser Gelegenheit Euch doch fragen muss. Ich kenne Eure Gesinnungen darüber noch gar nicht. NESTROY: Die Gesinnung ist ein teurer Besitz, den man oft mit seinem Leben bezahlen muss. Unser merkantilistisches Zeitalter hat daher nicht nur den Scheck, sondern auch den Gesinnungswechsel eingeführt, ein kaufmännisches Papier, welches das Gute an sich hat, dass man dafür sogar noch 'zahlt kriegt. Worüber soll ich mich also äußern? LESSING: Über die bürgerliche Gesellschaft der Menschen überhaupt. NESTROY: Wenn's weiter nix is' - LESSING: Wofür hält Ihr sie? NESTROY: Für eine feine G'sellschaft. LESSING: Unstreitig. Aber hält Ihr sie für Zweck oder für Mittel? NESTROY: Für mittel, für sehr mittel, für miserabel. LESSING: Glaubt Ihr, dass die Menschen für die Staaten erschaffen werden? Oder dass die Staaten für die Menschen sind? NESTROY: Vergleichen wir den Staat mit dem Theater und vergleichen wir die Menschen mit dem Publikum, so kommt bei diesem Vergleich das Treffende heraus, dass das Theater nicht ohne Publikum, das Publikum aber glänzend ohne Staatstheater auskommt. Daraus folgt, dass der Staat für die Menschen geschaffen ist. LESSING: So denke ich auch. Das Totale der einzelnen Glückseligkeiten aller Glieder ist die Glückseligkeit des Staates. Außer dieser gibt es gar keine. Jede andere Glückseligkeit des Staates, bei welcher auch noch sowenig einzelne Glieder leiden und leiden müssen, ist Bemäntelung für Tyrannei. Anderes nichts. Geschrieben 1778. NESTROY: Oh, Sie heimlicher Achtundvierziger, Sie, es ist ein wahres Glück, dass Sie unter Denkmalschutz stehn. [...]

(Weigel 1981, 60-62)

Aufgabe:

"Die Gesinnung ist ein teurer Besitz, den man oft mit seinem Leben bezahlen muss." Dass einem im nationalsozialistischen Deutschland zur Zeit dieser Kabarettnummer seine Gesinnung das Leben kosten konnte, ist bekannt. Traf das für das austrofaschistische Österreich jedoch auch zu?

Ja
Nein

Standrecht: Exekution eines Schutzbündlers durch ein Erschießungskommando an der Schlossmauer in Bruck/Mur zeigen
Gerl, Josef zeigen
Anhaltelager Wöllersdorf zeigen

"Das Totale der einzelnen Glückseligkeiten aller Glieder ist die Glückseligkeit des Staates. Außer dieser gibt es gar keine. Jede andere Glückseligkeit des Staates, bei welcher auch noch sowenig einzelne Glieder leiden und leiden müssen, ist Bemäntelung für Tyrannei. Anderes nichts." Möchten Sie einen Auszug aus dem Lessing'schen Originaltext aus dem Jahr 1778 lesen? (Um den ganzen Text zu lesen, nutzen Sie den Link zum Projekt Gutenberg)

Ernst und Falk. Gespräche für Freimaurer

FALK: Über die bürgerliche Gesellschaft des Menschen überhaupt. - Wofür hältst du sie? ERNST: Für etwas sehr Gutes. FALK: Ohnestreitig. - Aber hältst du sie für Zweck oder Mittel? ERNST: Ich verstehe dich nicht. FALK: Glaubst du, dass die Menschen für die Staaten erschaffen werden ? Oder dass die Staaten für die Menschen sind? ERNST: Jenes scheinen einige behaupten zu wollen. Dieses aber mag wohl das Wahrere sein. FALK: So denke ich auch. - Die Staaten vereinigen die Menschen, damit durch diese und in dieser Vereinigung jeder einzelne Mensch seinen Teil von Glückseligkeit desto besser und sichrer genießen könne. - Das Totale der einzeln Glückseligkeiten aller Glieder ist die Glückseligkeit des Staats. Außer dieser gibt es gar keine. Jede andere Glückseligkeit des Staats, bei welcher auch noch so wenig einzelne Glieder leiden und leiden müssen, ist Bemäntelung der Tyrannei. Anders nichts!

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