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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Biographische Notizen
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3. In Großbritannien
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4. Die Schriftstellerin
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5. Anhang
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Siglinde Kaiser-Bolbecher:
Stella Rotenberg (1916)


Die Literatur des Exils, die im Zeichen der Enttäuschung vom Nachkriegsösterreich ab den 1950er Jahren entstanden ist, bezieht sich, zumindest was die zentrale literarische Gattung des Exils, die Lyrik, betrifft, auf die unfassbaren Verbrechen des Nationalsozialismus, deren Schrecken durch den zeitlichen Abstand, durch die zwischen die Zeit der Vernichtung und die Gegenwart gelegten Jahre des Überlebens, nicht gemildert, verwischt worden sind, sondern vielmehr an emotionaler Wucht und plastischer Schärfe nur gewonnen haben. Gedichte begeben sich auf Spuren-Suche und schildern in der historischen Dimension, was konkret geschah. In Gedichten wie "Transport nach Treblinka", "Kinderlied aus Mauthausen", "Dänemark 1940-1945", "Freiheit anno 1939" oder "Passahfest 1944" stellt sich eine Identifikation mit den Leiden des jüdischen Volkes und dem Widerstand ein. Das Gedicht wird zur Instanz der Erinnerung, darin triumphiert es gegen die Vernichtung aller Spuren.

Auschwitz zeigen

Vermächtnis aus Auschwitz

Daß du, Mensch, uns nicht vergissest, und vergiß unsre Mörder nicht! Das Unheil, das uns vernichtet, steht auch vor deinem Gesicht.

Verhülle nicht deine Augen und halt deine Ohren nicht zu! Sonst sind wir für nichts gestorben, heute ich - und morgen du.

Auf eindrucksvolle Weise stellt Stella Rotenberg ihre Gedichte gegen eine selbstvergessene Gegenwart. Die Auseinandersetzung mit Schuld und Unschuld wird nicht vordergründig geführt. Das entspricht mehr dem moralischen Bestreben der Nachgeborenen und wächst auf dem Boden, auf dem Verbrechen nicht geahndet wurden, Sühne und Scham ausgeblieben sind. Wenn alle Schuld kenntlich ist, bedarf es keiner moralischen Abhandlung. Erinnern beinhaltet auch immer die Distanz zum Vergangenen, die es zu überbrücken gilt. Darin liegt die große Kunst von Stella Rotenberg, vom Geschehen unmittelbar zu sprechen, es nahezu greifbar zu machen. Greifbar durch die immer erneut gesetzte Anstrengung, sich in der einsamen Spur von Unsagbarem, das doch auf menschlichen Handlungen beruht und auf sie zurückgeführt werden kann, zu bewegen.

Rotenberg Stella liest Gedichte zeigen
Rotenberg, Stella: Kriegerbraut (1970) zeigen

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